Fokus gezielt halten
Über eine gewisse Zeitspanne den Fokus halten zu können, ist ein extrem wichtiger Faktor bei der Erreichung eines Ziels. Heute gehe ich mal der Frage nach, wie du es schaffst, fokussiert zu bleiben, um mehr und effizienter zu arbeiten.
Aber nicht nur das, was ich dir hier vorstelle, ist nicht nur effizient, sondern hilft dir auch beim Umgang mit negativen Gedanken, Emotionen und sogar Schmerzen.
Wenn du erst einmal verstanden hast, was Fokus ist, wirst du ab heute ganz anders an Dinge herangehen können.
Wie bin ich auf diesen Artikel gekommen? Es war der Satz der Trainerin in einem Handballspiel meiner Tochter: “Konzentriert euch doch endlich mal!”
Zumindest mir war in dem Moment klar: Wenn sie es könnten, würden sie sicher genau das tun.
Aber warum konnte sich keiner der Mädels auf das fokussieren, was wichtig und vor allem schon so oft vorher geübt wurde? Warum haben sie sich so vom, zugegeben chaotischen, Spiel der Gegnerinnen ablenken lassen? Warum hat das Reinrufen dieses Satzes der Trainerin nur für noch mehr Ablenkung gesorgt?
1. Der Unterschied zwischen Reiz, Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Fokus
Wie unterscheiden sich die Begriffe Reiz, Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Fokus?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir zunächst verstehen, was die einzelnen Begriffe bedeuten.
Reiz: Ein Reiz ist jedes Ereignis, das bei einer Person oder einem Tier eine Reaktion hervorrufen kann. Wenn du zum Beispiel ein helles Licht siehst, ziehen sich die Pupillen zusammen (Reaktion). Das Licht ist der Reiz. Ähnlich verhält es sich mit Temperaturen oder Gerüchen. Aber nicht alle Reize nehmen wir bewusst wahr. Zum Glück, denn sonst wären wir komplett reiz-überflutet!
Wahrnehmung: Bei der Wahrnehmung geben wir bestimmten Reizen “Vorrang”, wir nehmen sie bewusst wahr. Meistens dann, wenn ein Reiz plötzlich und stark auftritt – es wird besonders laut, hell oder riecht extrem.
Zur eigentlichen Wahrnehmung (=Bewusstwerden) kommen unsere Interpretationen und Bewertungen, die wir aufgrund von unseren Erfahrungen treffen. Wir können einen Geruch als angenehm oder unangenehm empfinden. Unsere Wahrnehmung ist selten (bis gar nicht) neutral. (Aber dazu in einer anderen Folge mehr.)
Aufmerksamkeit: Aufmerksamkeit hat zwei eng miteinander verbundene Formen:
1) mehr Aufmerksamkeit auf etwas geben – wenn wir zum Beispiel aufstehen, um zu schauen, woher ein Geräusch kommt, geben wir einer ersten Wahrnehmung mehr Bedeutung. Oder wenn wir einer Person, die wir erst nur aus den Augenwinkeln wahrgenommen haben, gezielt hinterherschauen. Oder wenn wir uns erinnern, wo wir eine Stimme schon einmal gehört haben. Dann geben wir diesen Dingen unsere Aufmerksamkeit.
2) sich auf eine Aufgabe konzentrieren, während man Ablenkungen ignoriert. Gesteigerte Aufmerksamkeit ist also Konzentration oder Fokus.
Während unzählige Reize auf uns einprasseln, kann sich dein Gehirn immer nur auf eine Sache wirklich und aktiv konzentrieren. Wenn viele Dinge um deine vertiefte Aufmerksamkeit konkurrieren, werden einige Reize automatisch vom Gehirn ignoriert, weil sie gerade nicht wichtig genug sind. Dieser Prozess geschieht automatisch, ohne dass du dir dessen bewusst bist. Bist du ins Schreiben vertieft, ignorierst du das Vogelgezwitscher, ohne dass du es merkst oder willst.
Diese Erkenntnis war zwar irgendwie nicht neu, aber mir das noch einmal klar zu machen, war wichtig. ICH bin es, die bestimmt wie vertieft meine Aufmerksamkeit sein darf, und dass ein Reiz erst mal nur ein Reiz und nicht gleich eine komplette Ablenkung sein muss, das war für mich schon ein Gamechanger. Aber es geht noch weiter…
1. Die 4 Felder der Fokus
Wenn du die 4 Felder der Konzentration kennst, kannst du sie gezielt für deine Zwecke einsetzen (Nideffer).
Intern-Enger Fokus:
Wenn wir beim Meditieren nur auf unsere Atmung achten, ist das eine sinnvolle Form von engem Fokus auf etwas, das in deinem Inneren stattfindet. Ebenso im Sport, wenn es um eine ganz bestimmte Fußstellung oder Bewegungsablauf bei einem Wurf geht, solltest du dich in dieses Feld begeben.
Bei Schmerzen konzentrieren wir uns ebenfalls oft auf nur einen kleinen Bereich innerhalb unseres Körpers. Je mehr wir uns auf diese schmerzende Stelle konzentrieren, umso stärker wird der Schmerz allerdings oft. Hier kann es helfen, eine andere Art des Fokus zu wählen.
Du ziehst den Fokus also regelrecht von dieser Stelle, diesem einem wiederkehrenden Gedanken oder dieser einer Emotion ab. Immer, wenn du um eine negative Sache kreist, bist du aktuell in diesem Feld und kannst wechseln.
Intern-weiter Fokus:
Die Wahrnehmung unseres gesamten Körpers, wenn wir auf einer Unterlage liegen z. B., umfasst ein weiteres Feld der Konzentration. Bei einem punktuellen Schmerz kann es helfen, sich auf den gesamten Körper und damit auf alle nicht schmerzenden Bereiche zu konzentrieren. So merkst du, dass eigentlich alle anderen Bereiche “gesund und schmerzfrei” sind und das kann deine gesamte Einstellung zur momentanen Situation ändern. Positive Gefühle dürfen ebenfalls den ganzen Körper durchströmen.
Extern-Enger Fokus:
Oder du verlässt den Körper und suchst dir einen bestimmten Punkt im Außen. Diese Art wird oft verwendet, um sich nicht von allen Reizen aus der Umwelt ablenken zu lassen. Da kann der berühmte Punkt an der gegenüberliegenden Wand oder das Flackern einer Kerze auf dem Tisch sein. Mit deiner Aufmerksamkeit ins Außen zu gehen, ist immer dann sinnvoll, wenn du von dir ablenken möchtest: von deinen Emotionen, Schmerzen, von zu schneller Atmung, die du gerade nicht in den Griff bekommst.
Extern-weiter Fokus:
Eine spannende Übung für dieses Feld funktioniert ähnlich wie bei Google Maps – zu zoomst raus. Zunächst bist du vielleicht noch bei dir im Körper mit deinem Fokus, jetzt sieh dich von oben in dem Raum, in dem du dich gerade befindest. Dann das Haus von oben, die Straße, der Stadtteil, die Stadt, Bundesland, Land, Kontinent bis hin – genau, bis du die Welt von oben siehst. Weiter reicht unsere Vorstellungskraft kaum aus. Probleme, Gedanken, ja sogar du, werden klein und vielleicht sogar ein wenig unbedeutender, wenn du deinen Fokus statt auf eine schmerzende Stelle auf die Schönheit des blauen Planeten legst. Es gibt so viele Menschen, manchen geht es besser, vielen sicher schlechter als dir. Jeder hat andere Gedanken und Sorgen und du bist (nur) eine Person in deinem Haus, deiner Straße, deiner Stadt…
Übe diesen Fokus-Wechsel je nach Situation: im Sport (Torwurf oder Spielmacher über das gesamte Feld), im Privatleben (Schmerz oder Körpergrenzen) und im beruflichen Kontext, wenn du alle deine Kollegen oder Geräusche im Außen ausblendest.
3. Wie kannst du deine Konzentration steigern
Ein durchschnittlicher Mensch kann sich etwa 15 Minuten lang auf eine Sache konzentrieren, bevor er die Konzentration verliert und sich ablenken lässt. Denn Fokus ist für dein Gehirn eine ganz schöne Leistung, die nach gewisser Zeit einfach nachlässt.
Aber vielleicht hast du schon an dir oder deinen Kindern bemerkt, dass kaum jemand noch 15 OHNE Ablenkung aushält. Die PERMANENTEN Ablenkungen (plötzlich auftretende starke Reize von außen) machen es uns nicht leicht, den Fokus zu halten.
Aber genau das kannst du üben. Am besten nicht gleich über die volle Dauer und nicht gleich mit Ergebnis (15-30 Minuten völlig ablenkungsfrei und ungestört einen Text schreiben ist tatsächlich super, aber nicht einfach).
Wie wäre es mit zwei Minuten, die du nur dem Vogelzwitschern widmest? Das Summen des Kühlschranks kann auch interessant sein. Fokussiere dich auf deine Atmung. Oder deinen linken kleinen Finger.
Du kennst das vielleicht vom Meditieren: wenn Gedanken kommen, werden sie einfach weggeschoben und ihnen werden keine weiteren Bedeutungen zugemessen. (Gedanken ganz abzuschalten gelingt wahrscheinlich nur den Meistern in Trance.)
Beim Fokus schiebst du einfach die Ablenkungen wieder ins Abseits. Du nimmst einen ankommenden Reiz zwar kurz wahr, schenkst ihm aber keine weitere Aufmerksamkeit.
Das funktioniert wirklich wie ein Training, je häufiger du es du wiederholst, umso eher kannst du dich steigern.
4. Warum Stress & Konzentration nicht miteinander können
Wenn wir (über einen längeren) Zeitraum gestresst sind, erleben wir oft eine Beeinträchtigung unserer Konzentrationsfähigkeit.
Im Gehirn gibt es ein Netzwerk von Nervenzellen und -bahnen, das als Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HPA-Achse oder auch Stressachse) bezeichnet wird. Wenn unser Körper Stress erlebt, gibt der Hypothalamus Hormone ab, die die Hypophyse stimulieren, um das Stresshormon ACTH (Adrenocorticotropin) freizusetzen. ACTH aktiviert dann die Nebennieren, um Cortisol und Adrenalin freizusetzen.
Die Stresshormone sind nötig, um uns mit dem Kampf & Flucht-Modus auf eine mögliche Bedrohung vorzubereiten.
Diese Hormone beeinflussen aber nicht nur Muskeln, Herzschlag oder Verdauung, sondern auch das Gehirn. Sie können zu einer Verengung der Blutgefäße führen, die das Gehirn mit Sauerstoff versorgen. Dadurch wird die Sauerstoffversorgung des Gehirns eingeschränkt, was zu einem Rückgang der kognitiven Funktionen führen kann.
Darüber hinaus beeinträchtigt Cortisol die Kommunikation zwischen den Neuronen im Gehirn. Es stört die Übertragung von Signalen zwischen den Nervenzellen im Gehirn sowie die Bildung neuer Nervenzellen.
In Stresssituationen wird außerdem das Lernen erschwert. Das Gehirn speichert eher solche Informationen, die als bedrohlich wahrgenommen werden. Dadurch kann es schwieriger werden, die “langweiligeren” Informationen zu behalten.
Du siehst, Stress und Fokus sind kein gutes Team. Wenn du also Phasen brauchst, in denen du dich konzentrieren musst, dann sorge für möglichst wenig Stress.
5. Wie man Ablenkungen minimiert
Aber nicht nur Stress hindert dich daran, fokussiert zu sein. In den meisten Fällen ist die Ablenkung der Feind – und die ist meist überhaupt nicht bedrohlich. Im Gegenteil: Oft lockt sie dich nämlich eher mit einer Art Belohnung, Denn Fokus ist harte Arbeit für dein Gehirn und alles, was dich von diesem anstrengenden Fokus abhält, ist super. Weshalb wir uns auch nur zu gerne ablenken lassen!
Hier ein paar Tipps, um dich weniger ablenken zu lassen:
- Schaffe eine geeignete Arbeitsumgebung: Sie kann dazu beitragen, Ablenkungen zu minimieren und die Konzentration zu erhöhen. Stelle sicher, dass der Arbeitsplatz ordentlich und aufgeräumt ist und Ablenkungsfaktoren (wie Süßigkeiten, dein Handy) außer Reichweite sind. Für manche Menschen ist es hinderlich, wenn der Blick vom Schreibtisch auf etwas gerichtet ist, wo viel passiert. Steht dein Schreibtisch am Fenster und du kannst auf das Treiben draußen blicken? Oder hast du vielleicht ein Glasbüro und siehst andere Menschen herumlaufen? Dann stell deinen Tisch um.
- Plane Pausen ein: Es kann schwierig sein, sich über einen längeren Zeitraum hinweg auf eine Aufgabe zu konzentrieren. Das Gehirn benötigt Pausen, um sich zu erholen und neue Energie zu tanken. Plane regelmäßige Pausen in deinen Arbeitsablauf ein, um die Konzentration aufrechtzuerhalten. Wichtig ist, dass du a) deinen individuellen Konzentrations-Pausen-Rythmus findest und b) auf deine Tagesform achtest.
- Setze Prioritäten: Wenn es viele wichtige Aufgaben gibt, die erledigt werden müssen, arbeite an der schwersten Aufgabe zuerst. Wenn die schwierigste erledigt ist, ist es einfacher, sich auf die anderen Aufgaben zu konzentrieren. Das hängt mit der Ermüdung deines Gehirns zusammen, es kann sich wie gesagt nur eine gewissen Zeit konzentrieren und bei vielen lässt die Konzentrationsfähigkeit im Laufe des Tages nach. Ebenso wie deine Disziplin übrigens. Deshalb lege dir die “harten” Aufgaben nicht ans Ende.
- Nutze Zeitmanagement-Techniken: Zeitmanagement-Techniken wie die Pomodoro-Technik und das Timeboxing. Sie beinhalten die Planung von Arbeitsblöcken mit bestimmten Zeitlimits und Pausen dazwischen.
- Meditation und Achtsamkeit: Sie sorgen dafür, den Geist zu beruhigen (weniger Stress = mehr Fokus) und lassen Bereiche in deinem Gehirn bzw. die Verbindungen zwischen den Neuronen wachsen, indem sie beim Meditieren = Konzentrieren verstärkt genutzt werden. Du übst mit der Zeit, Wichtiges von Unwichtigem (Ablenkungen) zu unterscheiden und darauf zu reagieren.
Was hat das jetzt alles mit dem Handball zu tun?
Zum einen ist so ein Spiel ein ganz gehöriger Stressfaktor – die Jüngeren sind einfach noch nicht so routiniert, dass sie die Aufregung ausblenden können. Es geht ums Gewinnen, um den eigenen Ehrgeiz, es ist ganz schön ruppig (ja, der Kampfmodus). Wie wir oben gelernt haben, läuft es dann nicht so mit dem Fokus.
Dann gibt es Trainier, die kommentieren im Training, vor dem Spiel, in den Pausen oder danach. Manche geben aber auch permanent ihre “Verbesserungsvorschläge” und Anweisungen, die mitten ins Spiel gerufen werden. Mit Namen des Kindes. Da war ja etwas mit lautem Reiz, der die Aufmerksamkeit an sich reißt. Jupp, da wirft man schon mal daneben.
Fazit: Fokus ist gesteigerte Aufmerksamkeit ohne Stress minus Ablenkung
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